Habt ihr euch schon einmal überlegt, warum es Dinge gibt, die ihr nicht gut heißt? Ich ja: Strafreize beim Hund finde ich nicht gut. Strafe lehne ich ab. Warum? Dies hat ethische, morale und auch persönliche Gründe. Warum sollte ich einen Hund strafen, wenn es doch genauso gut über positive Verstärkung funktioniert? Warum muss ich Strafreize bei einem Hund anwenden, wenn ich einfach anders denken müsste? Führen Strafen immer zum Erfolg (nein, eigentlich nie)? Hat Strafe Nebenwirkungen (ja, ganz klar!)?

Drohverhalten gehört zur Kommunikation unter Hunden dazu

Heute geht es um das, was ich nicht mache und warum ich es nicht mache: Strafe und ihre Nebenwirkungen

Positive Strafe ist dabei das Stichwort. Positiv im Sinne von “hinzufügen”, mathematisch “addieren” und Strafe ist etwas Unangenehmes, Bedrohliches, Beängstigendes für einen Hund. Es kann physisch und / oder psychisch unangenehm oder bedrohlich sein. Es kann aus der Umwelt kommen oder durch den Menschen herbeigeführt werden. Strafe soll erschrecken, der Hund soll kurz (oder auch länger) inne halten und sein momentan gezeigtes Verhalten abbrechen (= negativ aufgebautes Abbruchsignal). Er soll also mit dem Aufhören, was er begonnen hat. Oft wird es auch eingesetzt um den Hund vorher schon daran zu hindern, dass der Hund das unerwünschte Verhalten gar nicht erst zeigt. Es wirkt einschüchtern bis ängstigend auf die Hunde. Dazu aber später mehr. Ich möchte erst einmal damit anfangen, euch aufzuzeigen, was alles Strafreize sein können …

Fangen wir mit den üblichen Verdächtigen an:

  • Rütteldose
  • Wurfkette
  • Wasserspritze
  • Discs
Diese Dinge sind wohl allen bekannt. Natürlich sind sie erst ein Strafreiz, wenn sie dementsprechend eingesetzt werden. Hat der Hund gelernt, dass der Wasserstrahl angenehm ist, da man ihn fangen und “fressen” kann, dann ist dies natürlich kein Strafreiz. Die Rütteldose, die Wurfkette und die Discs werden gern verwendet, wenn der Hund nicht kommt oder wenn der Hund aggressives Verhalten zeigt. Ich habe es selbst erlebt. Meine verstorbene Dobermannhündin war mit fremden Hunden nicht gut verträglich, sie hat sie verbellt und war aggressiv. Sie sollte mit einem Hund zusammengeführt werden, deren Besitzerin hatte eine andere Trainingsphilosophie und bestand auf eine bestimmte Trainerin. Diese warf ihre Rütteldose bei dem aggressiven Verhalten meiner Dobermannhündin erst neben sie. Das hatte keine Wirkung, da die Hündin nicht schreckhaft war. Beim nächsten Mal warf sie die Dose auf den Rücken. Ich will gar nicht darüber nachdenken, welchen Schaden dies an der Wirbelsäule anrichten kann. Einmal und nie wieder. Das Resultat? Meine Dobimaus hat sich von der geworfenen Rütteldose nicht irritieren lassen, bei ihr zeigte der Streckreiz keine bis wenig Wirkung. Das Ziel war die Unterbrechung des aggressiven Verhaltens durch einen Schreckreiz.

Wird drohen bestraft, traut sich der Hund nicht mehr zu kommunizieren und wird schneller eskalieren.

Generell sollen alle vier Gegenstände den Hund erschrecken. Sie sollen keinen physischen Schaden anrichten, können sie natürlich, wenn sie ungeschickt geworfen werden. Das Sprühhalsband wird gerne verwendet um das Bellen zu bestrafen. Beim Alleineseintraining oder generelles Bellen. Ich rate davon ab, denn auch sie erschrecken den Hund. Sie sind sehr nah am Hund und der Schreckreiz ist somit sehr intensiv. Es gibt bessere Möglichkeiten um am Nicht-Bellen des Hundes zu arbeiten!

Ohne Hilfsmittel geht es natürlich auch, leider:

  • Zischen
  • Scharfer Tonfall
  • Bedrohlich klatschen
  • Mit dem Fuß aufstampfen
  • Körperlich blockieren
  • Körpersprachlich bedrohen
  • Leinenruck
  • Leinenimpuls
  • Flankenkneifen
  • Runterdrücken
  • Schubsen
  • Treten
  • Ohren / Schwanz ziehen
Ich denke diese Liste reicht aus. Ich habe so meine Probleme damit, um so viele Bestrafungsmöglichkeiten aufzulisten und mir kommen dabei fast die Tränen, wenn ich mir vorstelle, dass es so viele Menschen gibt, die ihrem Hund so viel Leid antun! Je nach Art der Bestrafung soll dem Hund psychischer oder auch physischer Schmerz zugefügt werden! Es geht darum, den Hund so zu hemmen oder niederzumachen, dass der Hund sich nichts mehr traut. Er traut sich nicht mehr seine Umwelt zu erkunden oder nur einen Mucks zu machen, er traut sich nicht mehr nach rechts und nach links zu gehen, denn dann könnte wieder der nächste, unangekündigte Strafreiz kommen. Egal, was der Hund macht, es kann passieren, dass der Hund heute dafür bestraft wird und Morgen nicht durch die Willkür des Menschen. Jetzt sagen bestimmt ganz viele Menschen: Aber sie bestrafen ihren Hund doch nicht, sie zeigen ihm lediglich die Grenze auf, welches Verhalten erwünscht und richtig ist und welches Verhalten falsch und nicht erwünscht ist. Aber der Hund ist eine andere Spezies als wir Menschen. Der Hund weiß nicht, was Menschen denken, welche Grenze Menschen für ihren Hund ziehen und wann und wie sie diese Grenze beschließen und durchsetzen. Es wird dem Hund nicht versucht zu erklären, sondern es wird verlangt, dass der Hund vorprogrammiert auf die Welt kommt und sich unproblematisch in die menschliche, moderne Welt einfügt. Es gibt natürlich noch zig andere Argumente für Strafreize: Der Hund weiß, dass er das nicht tun darf. Der Hund kann sitz, er darf nicht verweigern oder einfach aufstehen. Der Hund darf an der Leine nicht bellen. Der Hund darf nicht ziehen. Der Hund muss immer als letzter durch die Tür gehen, nie als Erster. Der Hund darf nie den Weg bestimmen, immer bestimmt der Mensch den Weg … Aber sind diese Argumente sinnvoll? Ich sage ganz klar: NEIN!

Was passiert, wenn ein Hund in verschiedenen Situationen bestraft wird?

  • Der Hund lernt seine Bezugsperson zu fürchten.
  • Die Beziehung zwischen Hundehalter und Hund nimmt erheblichen Schaden
  • Der Hund misstraut seiner Bezugsperson
  • Der Hund geht mit Angst vor Bestrafung durchs Leben
  • Der Hund kommt nicht in die Reichweite seiner Bezugsperson
  • Der Hund reagiert aggressiv darauf, wenn er gegriffen wird
  • Der Hund verknüpft die Bestrafung mit Umweltreizen (fremde Hunde, Menschen)
  • Der Hund wird komplett verwirrt, er traut sich nichts mehr
  • Der Hund ist permanent gestresst -> Dauerstress
  • Der Hund wird in Situationen, in denen er aggressiv reagiert, heftiger / intensiver reagieren
  • Der Hund wird nicht mehr knurren, er wird sofort schnappen -> Es werden Eskalationsstufen des Aggressionsverhaltens übersprungen
  • Der Hund zeigt Symptome der erlernten Hilflosigkeit
  • Der Hund ist permanent angespannt -> Es entstehen Verspannungen, diese können den Bewegungsapparat beeinflussen
  • Die Schilddrüsenwerte sinken

Knurren ist Kommunikation und sollte nie bestraft werden.

Eigentlich sollten diese Gründe ausreichen, einen Hund nicht (mehr) zu strafen, aber vielen Menschen sind die Gefühle der Tiere egal. Ich möchte zum Abschluß dieses, für mich doch sehr emotionalen, Beitrages noch auf das Thema Aggressionsverhalten zu sprechen kommen. Aggressionsverhalten wird gerne verteufelt. Dabei gehört es zum Hund wie die Ohren und der Schwanz. Ein Hund reagiert aus verschiedenen Gründen und aus verschiedenen Motivationen heraus aggressiv. An der Leine verbellen viele Hunde ihre Artgenossen. Andere Hunde knurren oder schnappen Hunde (oder Menschen) an Futter ab, verteidigen ihr Spielzeug. Lassen keinen anderen Hund in ihre eigenen 4-Wände … Arbeite ich über positive Verstärkung mit Alternativverhalten und Entspannungstraining, dann lernt der Hund mit der Zeit die Hilfe des Menschen anzunehmen und seinem Menschen in den schwierigen Situationen zu vertrauen. Auch schwierige Hunde können dann mit Spaß und Freude den Alltag meistern.

Reagiert der Hund auf die Drohsignale eines anderen Hunde, sollte dieses Verhalten verstärkt werden!

Wird mit Strafe gearbeitet, in einer Situation, in der sich der Hund schon selbst nicht wohl fühlt, dann kommt noch etwas Bedrohliches, Bestrafendes, Ängstigendes hinzu. Das passiert immer wieder und wieder. Der Hund lernt also, dass eine schwierige Situation aussichtslos wird. Vom Regen in die Traufe sozusagen. Diese Hunde zeigen sehr häufig defensive Aggression.

Dieser Hund zeigt eine Konfliktreaktion: Der Schwanz ist eingeklemmt, die Ohren gehen aber nach vorne. Zusätzlich sieht man beim Drohen die Zunge des Hundes als Konfliktsignal.

Ein Beispiel: Ein Hund verteidigt Futter, welches auf dem Boden liegt, vor anderen Hunden. Ohne Strafe droht er durch Lefzen hochziehen und knurren, wenn es der andere Hund nicht versteht, wird der Hund deutlicher und schnappt ab. Wird der Hund für dieses Verhalten gestraft, empfindet er Angst vor der Situation, vor seinem Menschen und auch vor dem anderen Hund, denn all dies löst den bedrohlichen Strafreiz aus. Es mischt sich nun also zwischen die Ressourcenverteidigung defensive Aggression. Diese fällt viel heftiger aus, als die eigentliche Ressourcenverteidigung. Der Hund schnappt nicht mehr nur ab, sondern er treibt den anderen Hund mehrere Meter vom Futter weg.

Viel besser: Den Hund, der Ressourcen verteidigt, jedes Mal markieren (Clicker / Markerwort), wenn ein Hund sich ihm bei der Futtersuche nähert, ruhig loben und die nächste Futterbelohnung vom anderen Hund wegwerfen. Hunde können teilen lernen auf freundliche Art und Weise. Sollte das Verhalten auftreten, den Hund durch das Geschirrgriffsignal und ein positiv aufgebautes Abbruchsignal wie Sitz, Touch stoppen und damit die Ressourcenverteidigung unterbrechen. Beiden Hunden eine Belohnung geben (weggedreht voneinander oder in verschiedene Richtungen geworfen).

Zwei Hunde sind sich nicht ganz grün, sie sind steif, kreiseln umeinander. Werfe ich nun eine Wurfkette zwischen die Hunde oder auf die Hunde, beschimpfe ich die Hunde, dann kommt es zur großen Explosion und die Prügelei ist vorherzusehen. Die Hunde erschrecken sich durch die bestrafenden Elemente und es wird in eine bedrohliche Situation ein weiterer Stressor, eine weitere Bedrohung hinzugefügt. Dies bringt das Fass zum Überlaufen.

Viel besser: Die Hunde ruhig loben, markieren (Clicker / Markerwort), weiterhin ruhig loben, Entspannungssignal sagen und ruhig und langsam auseinander gehen. Es sollte ruhig mit den Hunden gesprochen werden, es sollte keine Signale gegeben werden, die den Hund zu einer schnellen Bewegung veranlassen (z.B. Rückrufpfiff).

Stellen wir also fest: Strafreize schüchtern die Hunde ein, führen zu defensiver Aggression und machen den Hund durch Dauerstress krank. Lieber die Finger davon lassen, freundlich mit dem Hund umgehen, gutes Verhalten verstärken und unerwünschtes Verhalten durch den Geschirrgriff mit Alternativverhalten oder ein positiv aufgebautes Abbruchsignal unterbrechen.

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